(Wie der Mond der Menschheit einen Trank aus Kraft, Ruhe und Erinnerung gab)
I. Die Himmelswanderer
Vor langer Zeit, bevor die Flüsse das Land zerschnitten und das Feuer sprechen lernte, war der Himmel der Erde nicht so fern. Die Geister des Himmels irrten oft verkleidet durch die Wälder – nicht um zu herrschen, sondern um zu lernen.
Zwei dieser Geister waren Yasí, der Mond, und Arai, die Wolke. Sie wandelten in der Abenddämmerung gemeinsam auf der Erde, in silberne Umhänge gehüllt, sanft und neugierig.
Eines Abends, als sie tiefer in die Wälder des Südens vordrangen, wurden sie von einem Jaguar überfallen – seine Augen wie brennendes Gold, seine Pfoten stumm wie Bedauern.
Doch gerade als es losstürzte, trat ein Mensch vor.
Ein alter Jäger.
Ohne zu zögern hob er seinen Bogen – nicht um zu töten, sondern um zu erschrecken – und stellte sich zwischen das Tier und die Fremden.
Der Jaguar floh. Die Geister waren in Sicherheit.
Der Jäger verbeugte sich und sagte nichts. Er wusste nicht, wer sie waren, nur, dass es Reisende in Gefahr waren.
Er lud sie zu sich nach Hause ein.
II. Das Geschenk und die Bitte
Die Hütte war bescheiden. Das Feuer war klein. Aber die Wärme war enorm. Die Jägertochter Anahi kochte einen einfachen Aufguss aus Blättern, die sie in der Sonne getrocknet hatte, und servierte ihn den Gästen in einem ausgehöhlten Kürbis.
Das Getränk war bitter. Aber es beruhigte das Herz und stärkte den Körper.
Yasí trank und wurde still.
— Was ist das? fragte sie.
— Es hat keinen Namen, sagte das Mädchen. Es hilft uns, beim Mondbeobachten wach zu bleiben und mit klaren Träumen zu schlafen, wenn wir uns ausruhen.
Yasí sah Araí an und beide lächelten.
Bevor sie gingen, offenbarten sich die Geister. Licht strömte aus ihren Gewändern. Die Hütte füllte sich mit Sternen.
— Du hast Freundlichkeit gezeigt, ohne zu wissen, wer wir waren, sagte Araí.
— Bitten Sie um alles, sagte Yasí, und es wird gegeben werden.
Der Jäger sagte:
— Wir brauchen weder Reichtum noch Macht. Doch wenn dieser Wald verschwindet, werden auch wir verschwinden. Lasst uns in Harmonie mit ihm leben – und möge unser Getränk nie vergessen werden.
Die Geister nickten.
In dieser Nacht wuchs dort, wo der Fuß des Mondes die Erde berührt hatte, eine neue Pflanze – ihre Blätter grün wie die Erinnerung, ihre Seele Feuer und Stille zugleich. Sie war Yerba Mate.
III. Das Getränk des Gleichgewichts
Von diesem Tag an sammelten die Guaraní voller Ehrfurcht die Blätter. Sie trockneten sie in der Sonne, zerdrückten sie geduldig und tranken sie im Kreis, wobei sie die Calabase von Hand zu Hand weitergaben, immer im Uhrzeigersinn – in Richtung des Herzens.
Die Bombilla – der Metallstrohhalm – soll aus den silbernen Tränen des Mondes geschmiedet worden sein und nur die Essenz durchlassen.
Yerba Mate war nicht nur ein Getränk.
Es war ein Begleiter auf langen Spaziergängen, ein Ratgeber in der Stille, ein Freund in der Trauer und ein Fest der Rückkehr.
Es lehrte diejenigen, die es tranken, wie man still sitzt und wie man gestärkt aufsteht.
IV. Das Versprechen
Es heißt, dass Yasí nachts immer noch über Matetrinker wacht.
Wenn jemand dankbar nippt, lächelt sie.
Wenn sie es allein brauen, hört sie zu.
Und wenn einem neuen Freund die Kürbisflasche des Ersten Offiziers überreicht wird, rücken die Sterne näher.
Denn Mate ist mehr als Blätter und Wasser.
Es ist der Atem des Waldes.
Der Segen des Mondes.
Und eine Erinnerung daran, dass in der Bitterkeit Wärme liegt.
Im Teilen liegt Stärke.
Und in der Stille – eine Erinnerung an den Himmel.
